Ausstellung „Berliner Kompositionen“

29. NOVEMEBR – 21. DEZEMBER 2024

1992, Marzahn, Berlin: Die Familie von Alexander Dik zieht nach Deutschland. Sie sind Russlanddeutsche – eine problematische Minderheit in ihrer Heimat Kasachstan. Für Alexander war das Leben schon von klein auf ein harter Weg. Marzahn ist alles andere als ein rosiger Bezirk – das Wasser schmeckt dort nach Blut, sagt man. Alexander hat nur eine Sehnsucht, eine Berufung: die Malerei. Doch die konservative Umgebung, aus der er kommt, verbietet ihm diesen Wunsch. Stattdessen wird er Einzelhandelskaufmann in einer Supermarktkette und betreibt als Amateur Taekwondo. In aller Heimlichkeit malt er weiter; Trost findet er in einem dunklen, fast klaustrophobischen Studio im Keller des Supermarkts. 2018 trifft er eine mutige Entscheidung: Er wird Vollzeitkünstler. Im Jahr darauf, mit 35 Jahren, schreibt er sich an der Berliner Akademie der Künste ein, beginnt zu atmen und wird unaufhaltbar. Professor Andreas Amrhein schreibt über ihn: „Im Laufe seines Studiums hat Alexander enorm viel erreicht, vieles ausprobiert, manches verworfen, sich eine sehr entschiedene künstlerische Position erarbeitet und schreitet nun voran. Keines seiner Ziele ist ihm zu weit. Mit der ihm innewohnenden Energie wird er sie verfolgen“.

Berlin Compositions, Diks erste Einzelausstellung in der JARILAGER Gallery in Seoul, zeigt eine Auswahl seiner neuesten Arbeiten und markiert ein absolut erfülltes Ziel in der künstlerischen Reise dieses Berliner Kindes. Seine Werke sind ebenso frech und wild wie seine Stadt, durchzogen von all ihren Widersprüchen, ihrer Gewalt und ihren verletzten und fiebrigen Helden.

Nachdem er sein Talent jahrelang unterdrückt hat, befindet sich Alexander Dik nun in einer Art Arbeitstrance. Jeden Morgen fährt er in sein luftiges Atelier auf dem brandenburgischen Land. Anders als viele Künstler leidet er nicht unter der Ausweglosigkeit, vor einer leeren Leinwand zu stehen. Für ihn besteht die Herausforderung darin, den Ideenstrom zu zähmen. Er arbeitet typischerweise an mehreren Serien gleichzeitig, oft parallel auf mehreren Leinwänden, sowohl vertikal als auch horizontal. Oft liegt eine Leinwand unter seinen Füßen, die Farbspritzer, Fußspuren und sogar Zigarettenasche aufnimmt. Diese „Bodenbilder“ fangen ungewollt das gesamte Spektrum des kreativen Prozesses ein – von der rohen Materialität seiner Bewegungen bis hin zu den Spuren seiner künstlerischen Rituale. Für Alexander sind sie ebenso wertvoll wie die mit Absicht und Hingabe geschaffenen Werke.

Vor allem ist Alexander Dik ein Handwerker. In seiner neoexpressionistischen und zugleich symbolischen Kunst verbindet er eine profunde Beherrschung der Ölmalerei – seiner „wahren Sprache“, wie er sie nennt – mit einer unermüdlichen Lust am Experimentieren mit verschiedenen Techniken. Er arbeitet mit Pinsel, Spachtel und Spray, aber seine Bilder wirken oft, als seien sie von verschiedenen Händen geschaffen worden. Mal schleudert er die Farbe in Tropfenform auf die Leinwand, was an die Energie eines Jackson Pollock erinnert. Dann wieder falten sich die Farben zu Gebirgsformationen, die wie fleischige Konturen aus der Fläche herausragen. Es gibt Momente, da setzt er Farbkleckse auf die Leinwand und zieht dann mit einem breiten Spachtel einfach darüber – eine einzige Bewegung, und das Bild ist fertig. Es gibt aber auch längere Kämpfe, in denen er Schicht um Schicht aufträgt und erst zufrieden ist, wenn die Farben den Betrachter magisch in ihre Tiefe ziehen. Die Spannung erreicht ihren Höhepunkt, wenn er eine Leinwand gegen die andere drückt und den Abdruck eines laufenden Werkes die Geburt von etwas Neuem einleitet – ein Prozess, der von Unvorhersehbarkeit geprägt ist.

Alexander geht mit seinen Bildern ebenso schonungslos um wie mit sich selbst. Die Werke in Berlin Compositions behandeln die großen Themen, die mit den persönlichen und kollektiven Kämpfen des Deutschseins verbunden sind: Herkunft, Vertreibung, Jugend, Wut, aber auch Politik, Krieg, Geschichte und Kunstgeschichte. Diese Themen, vor allem die aggressive, zerstörerische Schönheit ihrer Umsetzung, lassen uns nicht in Ruhe, berühren aber auch die Seele. Georg Baselitz hat einmal gesagt: „Wäre ich woanders geboren, hätte ich ganz sicherlich glücklichere Bilder machen können“. Dieser Aussage würde Alexander voll zustimmen. Seine Verbindung zu Baselitz ist unübersehbar, wie Alte Moderne zeigt, eine klare Anspielung auf Baselitz‘ Skandalbild Die große Nacht im Eimer (1963). Baselitz‘ Bild – eine groteske Figur mit erigiertem Penis und Hitlerfrisur – löste ein juristisches Drama aus und wurde von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Dik tritt dieses Erbe auf seine Weise an. Als Mensch ist er ein Kämpfer, ein Risikoträger; seine Entscheidung, Künstler zu werden, bleibt ein Skandal für jene, die ihn ablehnten. Als Maler ist er ein Herausforderer, ein Suchender, der wagt, dorthin zu schauen, wo andere nicht sehen oder wollen. Er ist ein bewaffneter Poet.

„Mit 3 Jahren malte ich Autos mit 16 Räder; sie haben gelacht. Mit 9 Jahren malte ich verbotene Zeichen; sie haben mich bestraft. Mit 16 Jahren malte ich Sümpfe; sie sagten ich sei verrückt. Mit 20 Jahren wollte ich Kunst studieren; sie haben es mir verboten. Mit 35 Jahren fing ich an Kunst zu studieren; sie sagten ich sei krank. Die Angst von anderen nahm mir viele Jahre. Lebt nicht mit Angst der anderen. Lebt euren Traum jetzt und sofort“. – Alexander Dik

Vernissage
Freitag, 29.11.2024 | 18 Uhr – 20 Uhr

JARILAGER Gallery
12 Eonju-ro 165-gil
Gangnam-gu
Seoul, South Korea

info (at) jarilagergallery.com
Tel. + 82 (0)10 8191 5834

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